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Montag, 28. Februar 2011

Schlesische Spuren

Das Wappen von Gleiwitz  
Foto: © Barbara Gafert

Im Innenhof des Rathauses Wilmersdorf am Fehrbelliner Platz befinden sich 27 Mosaik-Wappen »ehemals ostdeutscher Länder und Städte«, die der bereits erwähnte schlesische Künstler Peter Ludwig Kowalski für die alte Hohenzollernbrücke anfertigte. Als die Brücke der Stadtautobahn weichen musste, wurden die Wappen 1957 im Innenhof des Rathauses Wilmersdorf angebracht. Sieben Wappen von schlesischen Provinzen befinden sich darunter: Niederschlesien, Breslau, Liegnitz, Neiße, Oberschlesien, Gleiwitz, Oppeln. Eine Tafel von 1992 erläutert unaufgeregt den Umgang mit den historischen Bezügen:

Montag, 3. Januar 2011

Riesengebirge in Berlin

Carl Gotthard Langhans war nicht nur ein bedeutender Baumeister, er tat sich in Berlin auch als – schneisenschlagender – Städteplaner hervor. Viele Architekten und Städtebauer des 19. und 20. Jahrhunderts gaben Berlin sein immer wieder wechselndes Gesicht. Einer der wichtigsten war der heute fast gänzlich in Vergessenheit geratene Hermann Mächtig. 1837 in Breslau geboren, erhielt er dort und in der Königlichen Gärtnerlehranstalt in Potsdam-Wildpark seine Ausbildung zum Gärtner. Zunächst arbeitete er in den Potsdamer Gärten unter Peter Joseph Lenné und Gustav Meyer, wurde 1870 dortiger Hofgärtner, bis er ab 1878 bis zu seinem Tod 1909 das Amt des Stadtgartendirektors in Berlin bekleidete. Wichtiges Anliegen war ihm, »Volksgärten« im landschaftsgärtnerischen Stil anzulegen, denn Gärten und Parks sollten nach Mächtigs Auffassung »Stätten der Bewegung, der Erholung, Orte geselliger Unterhaltung, auch des Naturgenusses, der Bildung und der Veredelung der Sitten« sein. Eine Vielzahl heute noch existierender Plätze und Parks in Berlin geht auf Mächtigs Planung, Verschönerung und Umgestaltung zurück, so der Treptower Park, der Pariser Platz, der Zentralfriedhof Friedrichsfelde, auf dem sich auch Mächtigs denkmalgeschütztes Grab befindet, der Leopoldplatz, der Senefelderplatz, der Wilhelmplatz, die Umgestaltung der Schloßstraße in Charlottenburg, der Kollwitzplatz, der Gendarmenmarkt, der seit 1848 bestehende Friedhof der Märzgefallenen, der 1900 von Mächtig wiederhergestellt und verschönert wurde, der Lützowplatz, der Arnswalder Platz, der Arnimplatz und der Brunnenplatz. Eine Straße in Potsdam wurde nach Hermann Mächtig benannt.

Im Zeitalter der Industrialisierung bemühte sich Mächtig darum, kleinere und größere urbane Zentren in Berlin gärtnerisch zu gestalten, um der dichtgedrängten Bevölkerung Plätze zum Atmen zu verschaffen. Ein auch heute noch besonders augenfälliges Beispiel dafür ist der Viktoriapark auf dem Kreuzberg. Bereits 1821 errichtete Schinkel auf der Kuppe des Kreuzbergs das Nationaldenkmal zur Erinnerung an die Befreiungskriege 1813. Aber erst über sechzig Jahre später wurde Hermann Mächtig mit der Gestaltung des gesamten Hügelterrains beauftragt. Zwischen 1888 und 1894 legte er den Landschaftsgarten mit geschlängelten Wegen an. Zur Betonung des Nationaldenkmals ersann er in der Hauptblickrichtung von der Großbeerenstraße her die Anlage eines Wasserfalls, der zweierlei Implikationen vereinigte: einmal sollte der Wasserfall an sich erhabene Gefühle auslösen und damit zu Emphase des Nationalen beitragen. Zum anderen ist er eine Miniaturnachbildung eines existierenden Wasserfalles. Seinem Entwurf ist, so Mächtig, »ein den angeführten Bedingungen entsprechender Wasserfall im Riesengebirge zu Grunde gelegt«. Belegt ist auch eine Dienstreise Mächtigs während er Planungszeit nach Hirschberg. Umstritten ist heute bloß, ob es sich beim Viktoriapark um eine Nachbildung des Zackelfalls, des Heynfalls oder eines anderen Wasserfalls in der Umgebung von Hirschberg handelt. Auch Reisen ins Riesengebirge waren im 19. Jahrhundert übrigens von nationaler Bedeutung, hatten seit Friedrich Wilhelm III. doch die preußischen Könige mit ihren Schlössern und Gärten das Hirschberger Tal in ein preußisches Elysium verwandelt. Im ausgehenden 19. Jahrhundert waren es auch immer mehr wohlhabende Berliner, die zur Erholung ins Riesengebirge reisten. Für all diejenigen aber, die sich solch Fahrten nicht leisten konnten, unter anderem auch die Arbeitsmigranten aus Schlesien, die sich im schlesischen Viertel in Kreuzberg drängten, baute Hermann Mächtig ein Riesengebirge en miniature mit einem Wasserfall, klein genug, die Ausmaße eines städtischen Parks nicht zu sprengen, und groß genug, Erhabenheits-, Sehnsuchts- und Nationalgefühle auszulösen.

Fortsetzung am kommenden Donnerstag.

Montag, 20. Dezember 2010

Schlesische Weißwürste

Schlesische Weißwürste waren das traditionelle Essen zu Heiligabend und Silvester in Schlesien. Sie bestehen aus Kalbfleisch, heute auch oft aus Schweinefleisch, sowie aus Schweinespeck, beide Bestandteile extrem fein unter Beigabe von Eis gekuttert, d. h. feiner als mit dem Fleischwolf zerkleinert. Entweder erhitzt man die Würste langsam im Wasser oder brät sie in Butter. Dieses typisch schlesische Heiligabendessen wird zusammen mit Kartoffeln oder Kartoffelbrei und Sauerkraut serviert.

In Berlin und Umgebung gibt es mehrere Fleischereien, die zur Weihnachtszeit schlesische Weißwürste anbieten, so die Neuland-Fleischerei Bachhuber, die Wurstabteilung des Kadewe und andere Fleischereien. Zum Beispiel die Fleischerei Grönke. Sie betreibt das Geschäft heute in dritter Generation, zog von der Bernauer Straße nach dem Zweiten Weltkrieg zum Prenzlauer Berg und von dort im Jahr 2004 nach Hohen Neuendorf ins nördliche Berliner Umland. Die Tradition, jährlich zur Weihnachtszeit schlesische Weißwürste herzustellen, etablierte sich schon vor etlichen Jahrzehnten. Da der Großvater des heutigen Betreibers aus Schlesien stammte, brachte er von dort das Rezept für die Würste mit. Diese werden hier aus Schweinefleisch unter Zusatz von frischem Zitronensaft und frischer Petersilie hergestellt. Ein Teil der Kunden kannte und kennt diese schlesische Weihnachtstradition aus eigener Erfahrung. Aber auch viele Berliner und Brandenburger, denen diese Würste zunächst fremd waren, kauften sie aus Neugierde. Da sie großen Anklang finden, müssen die Würste zur Weihnachtszeit immer vorbestellt werden und sind schnell ausverkauft. Ein Bekannter des Fleischers schlug aufgrund der Beliebtheit der Würste einmal vor, diese immer im Angebot zu führen. Diesen Wunsch musste der Fleischer ihm aber abschlagen: »Nein, schlesische Weißwürste gibt es nur zu Weihnachten. Das ist und bleibt etwas ganz Besonderes.«

Die Fleischerei Ullrich in Tempelhof, ein Familienbetrieb, bietet seit 1967 ganzjährig schlesische Wurstwaren an. Sie führt ständig vier bis fünf verschiedene schlesische Wurstsorten, so u. a. schlesische Wellwurst, schlesische Schinkenkrakauer, Breslauer, und zur Weihnachtszeit natürlich auch schlesische Weißwurst, aus Kalbfleisch hergestellt und mit Zitrone und Petersilie verfeinert. Eigene familiäre Bezüge des heutigen Fleischermeisters zu Schlesien gibt es nicht. Sein Vater hatte jedoch in Wittenberg bei einem schlesischen Fleischer gelernt und danach in verschiedenen Berliner Fleischereien gearbeitet, die von Schlesiern betrieben wurden. Erst dann machte der Vater sich selbstständig und nutzte sein schlesisches Fachwissen, um seinem Geschäft diese besondere Ausrichtung zu geben. Der Sohn führt die Tradition fort. Viele Kunden, die schlesische Wurzeln haben, kaufen bei ihm. Hin und wieder belieferte die Fleischerei Treffen des Schlesierverbandes im Deutschlandhaus mit Wellwurst und anderen schlesischen Spezialitäten. Ein zusätzlicher Wurststand in der Arminius-Markthalle führte zu einer großen Beliebtheit der schlesischen Wurstwaren auch in Berlin-Moabit.

Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die schlesischen Blut- und Leberwürste mit dem dazugehörigen Sauerkraut. Die Fleischerei erhielt schon etliche bundesweite Auszeichnungen, vor allem für ihre schlesischen Wurstwaren, mehrfach hintereinander wurde ihr sogar der Titel »Berliner Bratwurstmeister« verliehen. Was sagte mir der Fleischermeister? Nach dem Krieg seien ja fast zwei Drittel aller Berliner Fleischer Schlesier gewesen. Und, wie es unter Fleischern hieß: »Jeder gute Berliner Fleischer kommt aus Schlesien.«

Fortsetzung am kommenden Donnerstag.

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Schlesisches Himmelreich

Beim Essen hört die Antike auf. Die Welt ist groß und jetztzeitig, und fast ebenso groß ist die Auswahl an verschiedenen Restaurants und Küchen in Berlin. Je nach Mode boomen eine Weile lang die mexikanischen Restaurants, werden von japanischen abgelöst und diese dann wieder von den thailändischen und den indischen, bis sich alles auf ein normales Maß zurechtegrüttelt hat und mehr oder weniger freundlich koexistiert. Persische Restaurants liegen neben afrikanischen, nepalesische Restaurants neben russischen. Boomt eine Zeitlang das Niegehörte, Niegesehene, Niegegessene, Krokodil und Känguruh oder echte chinesische Küche für Chinesen mit seltsamen Eingeweide und undefinierbaren Zutaten, so gibt es gleichzeitig auch wieder einen Hang, ja fast einen Drang zur traditionellen, bodenständigen, regionalen Küche, zur bayrischen, zur schwäbischen, zur österreichischen und sogar zur böhmischen Küche, wie sie ja heute in Böhmen, in Prag immer noch lebendig ist. Lateinische Küche aber gibt es nicht. Ebenso sucht man schlesische Restaurants im Berliner Stadtbild vergeblich, fast scheint die Küche, wie der niederschlesische Dialekt, ausgestorben zu sein. In Breslau, in Mittel- und Niederschlesien sind mir keine Restaurants begegnet, die die deutsche Küche pflegen. Am Breslauer Ring wird dagegen das Restaurant Karczma Lwowska betrieben, das mit altpolnisch-lemberger Küche aufwartet. Nur in Görlitz, nach der Wende plötzlich der letzte deutsche Zipfel Niederschlesiens, hat man die kulinarischen Traditionen Schlesiens wiederbelebt. Dort gibt es mit einem Mal in einigen Restaurants Schlesisches Himmelreich und schlesische Linsensuppe mit einer Kelle heißen Sauerkrauts in der Tellermitte, in etlichen Bäckereien viel typisches Mohngebäck und schlesischen Sträßelkuchen. Hier scheint also (noch? wieder?) eine Tradition lebendig zu sein.

Die ganze Zeit schon möchte der Berliner Restaurantkenner ungeduldig widersprechen. Natürlich gibt es in Berlin schlesische Restaurants. Das Restaurant Kolk in Spandau zum Beispiel, das seit 1989 Spezialitäten aus Schlesien, Ostpreußen und Berlin anbietet, nach eigener Aussage deswegen, weil die Vorfahren der heutigen Restaurantbesitzer teils aus Schlesien und teils aus Ostpreußen stammen. Hier gibt es die oft süß-saure schlesische Küche, hier gibt es zum Nachtisch schlesische Mohnklöße. Hier kann man wohlschmeckende und gehaltvolle Gerichte bekommen, die auf diese Weise vorm Aussterben bewahrt werden.

Weitere Restaurants in Berlin, die schlesisch in ihrem Namen trugen, das deutsch-schlesische Restaurant Gourmand-Smakosz in Moabit, Kochs Brunnen Gasthaus mit polnisch-schlesisch-deutscher Küche am Prenzlauer Berg sind kürzlich eingegangen. Aber das schlesisch-böhmische Restaurant Duett in Steglitz und das schlesische Restaurant Chopin am Wannsee erfreuen sich größerer Beliebtheit. Letzteres bezieht sich kulinarisch sowohl auf die deutsche mittel-niederschlesische als auch auf die polnisch-oberschlesische Küche, in der Pirogen, Barczsz, Bigos und Żurek (Sauerteigsuppe) angeboten wird. Mein Vater erzählte, dass eine Kolumne, die er in der Zeit um 1930 im oberschlesischen Lokalblättchen gerne gelesen habe, den Titel trug »Wo der Żur dampft«, was so viel bedeutete: wo man gemütlich beisammen sitzt und die neuesten Geschichten erzählt. In diesem Restaurant dampft sicherlich der Żur, wahrscheinlich sogar der Żurek królewski, der Königs-Żur. Und nicht nur dass hier das Schlesische Himmelreich, die schlesische Bouillon mit Fadennudeln, der Sauerbraten und die schlesischen Mohnpielen vorm Aussterben bewahrt werden, ist erwähnenswert, sondern dass zur Weihnachtszeit polnische Gänse mit einer Rosinen-Mandelsoße und Klößen von den polnischen Restaurantbetreibern in ein typisch schlesisches Gericht verwandelt werden.

Auch das Restaurant Schlesisch Blau in Kreuzberg wird übrigens sehr gelobt. Aber der Name lockt auf eine falsche Fährte. Die Küche ist rein französisch und der Name rührt lediglich von seiner Lage her: der Nähe zum Schlesischen Tor.

Fortsetzung am kommenden Montag.

Donnerstag, 25. November 2010

Hedwigsfriedhof 1

Der alte katholische Domfriedhof der Hedwigskathedrale an der Liesenstraße lag nach 1945 zwischen den östlichen und westlichen Machtblöcken, nach 1961 auf dem Todesstreifen, dem Vakuum des Kalten Krieges. Nach der Wende war er wieder allen zugänglich, aber gerupft, geplündert, vieler Gräber beraubt. Reste der Berliner Mauer umgrenzen ihn an der einen Seite, hohe Brandmauern und eine weite Wiese mit Gräbern des protestantischen Domfriedhofs an der zweiten Seite und Gräber des französisch-reformierten Friedhofs, darunter das Ehrengrab Theodor Fontanes, an der dritten Seite. Zwischen 1961 und 1989 waren diese Friedhöfe schwer bewacht, die Gräber, die genau im Mauerstreifen lagen, wurden entfernt, die Grabsteine teilweise dazu benutzt, einen Kolonnenweg für die Fahrzeuge der Grenzpatrouillen anzulegen.

Grabstein des Priesters Otto Scholz
im Hedwigsfriedhof
Der alte Domfriedhof der St. Hedwigsgemeinde an der Liesenstraße wurde 1834 geweiht und ist heute der älteste katholische Friedhof der Stadt. Da die Hedwigskathedrale vor allem für schlesische Katholiken, besonders für den Adel, errichtet worden war, fanden sich ursprünglich viele Gräber von Schlesiern auf dem ersten katholischen Friedhof am Oranienburger Tor, der heute nicht mehr existiert, da er von Wohnhäusern überbaut wurde. Doch auch auf dem Nachfolge-Friedhof an der Liesenstraße finden sich noch schlesische Spuren. Neben Gräbern von Rheinländern, Westfalen, Bayern, Österreichern, Franzosen, Italienern, Spaniern und Polen gibt es bzw. gab es auch immer wieder Gräber von Schlesiern. Durch die Zeitläufe verloren gegangen ist das Grab von Johannes Janda aus Kleindarkowitz bei Hultschin, eines klassizistischen Bildhauers im 19. Jahrhundert, der sowohl in Schlesien als auch in Berlin etliche Werke hinterließ, so die Heiligenfiguren für das katholische Hedwigskrankenhaus an der Hamburger Straße oder das Relief »Maria, dem Hl. Dominikus den Rosenkranz reichend« in der Pauluskirche in Moabit. Oder das Grab des einstmals berühmten Schauspielers Karl Seydelmann aus dem schlesischen Glatz, eines Freundes von Karl von Holtei. Oder das Grab des aus Schlesien stammenden Theologen, Domprobstes und NS-Widerstandskämpfers Bernhard Lichtenberg, das in die St. Hedwigskathedrale verlegt wurde. Doch auch heute noch finden sich Gräber von Schlesiern oder Personen, die maßgeblich mit Schlesien in Beziehung standen, Gräber von schlesischen Priestern aus Breslau, Lauban, Glatz oder das Grab des aus Rheine in Westfalen stammenden Franz Anton Egells, des Pioniers des modernen Maschinenbaus in Berlin am Oranienburger Tor, der 1829, um sich günstige Rohstoffe zu sichern, im schlesischen Reinerz eine Eisenhütte, die Egellshütte, erwarb. Bekannt wurde Egells auch dadurch, dass er zehn Jahre lang den jungen Schlesier August Borsig bei sich beschäftigte, bevor dieser sich noch erfolgreicher selbständig machte.

Der Hedwigsfriedhof im Herbst
Der Hedwigsfriedhof 1 an der Liesenstraße ist eine Oase der Zeitentrücktheit, die seiner besonderen Lage im Zentrum der weltpolitischen Verstrickungen geschuldet ist. Auf engem Raum, der weit wirkt, weil viele Lücken klaffen, gibt sich die katholische Welt Berlins ein Stelldichein. Verrostete Grabeinfassungen, einstmals prachtvoll, erinnern an liegengebliebene Kutschen aus Alt-Österreich. Niederschlesische Namen wie Barthel oder Hahnel und oberschlesische Namen wie Grzeszkiewicz, Wosnik oder Kolodziejski zeugen von vielfältigen schlesischen Mitgliedern der St. Hedwigsgemeinde. Die leere Wiese des protestantischen Domfriedhofs öffnet den Blick auf eine Weltlandschaft zwischen Brandmauern und Prachtgruften. Die Gräber, die in die Brandmauer eingelassen sind, wirken eingesunken wie antike Grabmale. Die Atmosphäre wird dichter unter den Fliederbüschen. Die S-Bahn rattert vorbei, sie quietscht und zischelt, bevor sie in den Tunnel zum Nordbahnhof eintaucht. Trauerbuchen bewachen eingesunkene Gräber, um die sich niemand mehr kümmert. Eisenkreuze rosten vor sich hin. Marmorgrabsteine stehen schief wie wackelnde Zähne. Kreuze mit Holzdächlein erinnern an den lieblicheren Süden. In der glühenden Hitze des Sommers sind die weiten Wiesen verdorrt und die langen Gräser hängen welk und verbrannt um die Kanten der Gräber. Im Herbst sind sie mit Laub überhäuft. Leer ist der Friedhof und einsam. Wer keine Heimat hat – hier kann er Ruhe finden.

Fortsetzung am kommenden Montag.

Montag, 22. November 2010

Hydranten im Tiergarten

Man muss ins schlesische Kreisau fahren, um etwas über Berlin zu erfahren. Eingeladen war ich, um in Kreisau vor fünfzig deutschen, polnischen und ukrainischen Studenten etwas über deutsche und Lemberger Spuren in Breslau und über polnische Spuren in Lemberg, dem heute ukrainischen Lviv, zu erzählen. Neben einigen polnischen Historikern kam ich mit den Veranstaltern ins Gespräch, Rotariern, von denen einer polonophil war (»einmal Polen, immer Polen«), ein anderer gegen das Zentrum gegen Vertreibungen wetterte und ein dritter sich für den Erhalt von SS-Gräbern in Polen aussprach (»diese verführten jungen Männer«). Da fiel mir ein Rotarier auf, ein Theologe, der sehr bewandert war und interessiert an der Thematik der schlesischen Spuren in Berlin. Über die Firmenstempel von Beuchelt aus Grünberg/Schlesien am Bahnhof Friedrichstraße verständigten wir uns auf der Stelle. Er nahm an, dass ich dann auch die Hydranten im Tiergarten kennen müsste. Aber da konnte ich nur den Kopf schütteln. Wo denn im Tiergarten? Na, überall, im Umkreis des Großen Stern.

Hydrantendeckel im Tiergarten
Ich ließ die flachen Gebäude von Kreisau, den bunten Kinderspielplatz, den Innenhof von der Größe zweier Fußballfelder hinter mir zurück. In Berlin machte ich mich auf die Suche. Aber so einfach wie an der Friedrichstraße gestaltete sie sich nicht. Ich lief auf großen und kleinen Wegen unbestimmt durch den Tiergarten, schlängelnd vor und zurück und schaute mir nach den Hydranten die Augen aus dem Kopf. Ich stellte sie mir so vor wie jene, die auf den alten Berliner S-Bahnsteigen in die Höhe ragen, kleinen Männchen mit zwei kurzen Armen gleich. Ich fand sie nicht und ärgerte mich schon über meine Naivität, auf die vage Angabe eines mir Fremden hin im Berliner Tiergarten meine Zeit zu vertrödeln. Ich lief am Neuen See entlang und am Kanal, hin- und herspähend, bis mir der Gedanken kam, dass es im Tiergarten ja gar keine Hydranten zu gegeben brauchte, da die Feuerwehr im Brandfalle das Wasser je direkt aus den Gewässern pumpen könnte. Also schlängelte ich mich langsam durch schmale Wege zurück, Wege, benutzt von einsamen Männern und gesäumt von Papiertaschentüchern. Und da sah ich ihn: es war kein Hydrant, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, sondern ein ovaler eiserner Hydrantendeckel, der im braunen Laub des Bodens kaum auffiel. HYDRANT war darauf geprägt, und darunter RUDOLF WARMBT WALDENBURG SCHL. zu lesen. Von dieser längst wieder untergegangenen Eisenfirma Warmbt aus der kleinen Industrieregion des Waldenburger Berglands hatte ich noch nie etwas gehört. Aber das spielte keine Rolle. Das SCHL. löste eine große Freude in mir aus. Und es stand nicht nur einmal da. Im näheren Umkreis schon fand ich, jetzt mit geschärftem Blick, mehrere Hydrantendeckel aus SCHL. Ich hätte nicht genau sagen können warum, aber dieses WALDENBURG SCHL. erfüllte mich mit einer so großen Befriedigung, dass ich dem Theologen aus Kreisau einen Dankesgruß in alle vier Himmelrichtungen blies, am stärksten aber in Richtung Waldenburg.

Fortsetzung am kommenden Donnerstag.

Donnerstag, 18. November 2010

Schlesische Antike in Berlin

Wie ein Detektiv stürzte ich mich in die städtische Wirklichkeit mit ihren Steinen, Eisenträgern und Gebäuden hinein. Ebenso durchstöberte ich wichtige kulturelle Zeugnisse der Stadt. Ich fühlte mich wie ein Archäologe, der die abgesunkene schlesische Antike in Berlin zu rekonstruieren versucht. Das Thema war ergiebig, ist ergiebig und wird immer ergiebiger. Aber ich möchte das Buch nicht vorwegnehmen, sondern statt dessen an dieser Stelle auf ein paar aussagekräftige Splitter hinweisen, die aus Platzgründen im Buch nicht aufgenommen werden konnten. Zum Buch nur so viel: es sind große Namen, berühmte Zeugnisse aus Kunst, Literatur, Geistes- und Industriegeschichte, die mit dem schlesischen Einfluss auf Berlin verknüpft sind. Da sind Carl Gotthard Langhans, der Erbauer des Brandenburger Tors, und Adolph Menzel, Gerhart Hauptmann und Willibald Alexis, Ferdinand Lassalle und August Borsig, Ludwig Meidner und Arnold Zweig, um nur einige Schlesier zu nennen, die Berlin maßgeblich beeinflusst haben. Sie haben das Stadtbild geprägt (und prägen es bis heute), sie haben maßgeblichen Anteil an der mythisierenden Verehrung Friedrichs des Großen, sie haben den Witz für die altberliner Posse aus Schlesien mitgebracht, wie auch den sozialreformerischen Impetus und den Hang zur seelentiefen Mystik. All das wird im Buch »Jeder zweite Berliner« ausführlich hergeleitet und beschrieben.

Hier nun bleiben einzelne Fundstücke zu beleuchten, die immer im Zusammenhang der schlesischen Einflüsse auf die Stadt Berlin stehen.

Firmenstempel »Beuchelt«
an der Friedrichstraße
Bahnhof Friedrichstraße, oberes S-Bahngleis in Richtung Westen. Sehr oft habe ich dort gestanden und auf die S-Bahn Richtung Charlottenburg, Richtung Wannsee gewartet, vor der Wende, als die S-Bahn noch im 20-Minuten-Takt fuhr, hier endete und der Blick auf die östlichen Nachbargleise eines fremden Systems mit grauen Metallplatten versperrt war, und nach der Wende. Lange habe ich dort gestanden und gewartet, noch länger bei Bauarbeiten und Pendelverkehr, weniger lang im neuen Zwei-Oder-Drei-Minuten-Takt nach der Wende. Immer ging mein Blick hierhin und dorthin, gelangweilt oder in Eile, glitt über die Gesichter der Reisenden, auf die Baustellen unten, bohrte sich in östliche Richtung, um die Ankuft des Zuges versuchsweise zu beschleunigen. Hunderte Male habe ich dort gestanden und vor mich hin gestarrt und sie nie gesehen - die eisernen Firmenschilder an den Metallstreben der S-Bahn-Konstruktion, obwohl sie sich sogar auf Augenhöhe befinden. Der bekannte Satz, dass man nur das sieht, was man weiß, ist mit niemals deutlicher vor Augen geführt geworden als hier. Andreas Kossert hatte in seinem Buch "Kalte Heimat" auf die Firmenstempel der schlesischen Firma Beuchelt am Bahnhof Friedrichstraße hingewiesen, und so ging ich sie suchen. Ich machte mich auf eine langwierige Detektivarbeit gefasst, vermutete diese Schilder an den verborgensten und geheimsten Stellen des labyrinthischen Bahnhofs. Wie überrascht war ich, als genau an den Stellen, an denen ich so oft gestanden und gewartet hatte, sich mir der Blick plötzlich entschleierte. Da stand es: »Beuchelt u. Co. 1923 Grünberg - Schlesien«. Und es stand dort mehrfach, im Wechsel mit den Firmenstempeln eines Eisenunternehmens aus Stettin. Es war, als hätte sich ein unsichtbares Lid von meinen Augen gehoben und ich erst richtig zu sehen begonnen.

Fortsetzung am kommenden Montag.

Montag, 15. November 2010

Breslauer Wollmarkt auf dem Alexanderplatz

Es war ein Schlüsselerlebnis, das mich zu dem Buch »Jeder zweite Berliner. Schlesische Spuren in Berlin« führte. Es begann mit einem harmlosen Touristenprogramm für Gäste aus Südwestdeutschland, die noch nie in Berlin gewesen waren. Reichstagskuppel, Brandenburger Tor, Museumsinsel, Fernsehturm, Alexanderplatz. Dort sprudelte der Neptunsbrunnen und die Kinder erfreuten sich am Meeresgetier, das den Netzen entwischt war. Vier Flussgöttinnen sorgten dafür, dass der Brunnen nicht versiegte. Ich hatte sie mir noch nie so ausführlich angeschaut und wusste sie nicht zu benennen. Der Reclamführer aus den siebziger Jahren gab Auskunft über die Ströme Preußens Ende des 19. Jahrhunderts: die Figur mit den Trauben solle den Rhein, die Figur mit den Ähren die Elbe, die Figur mit dem Holz (Flößer!) die Weichsel (!) und die Figur mit dem Ziegenfell die Oder darstellen, denn das Fell verweise auf den Breslauer Wollmarkt.

Da durchfuhr es mich. Eine Allegorie des Breslauer Wollmarkts sitzt mitten auf dem Alexanderplatz! Da schreibe ich Bücher über Breslau und zitiere darin Gedichte aus dem 16., 17., 18. Jahrhundert über den Breslauer Wollmarkt und weiß nicht, das seine Verkörperung Wasser in den Berliner Neptunsbrunnen gießt!

Das Gedicht über den Breslauer Wollmarkt von Johann Andreas Mauersperger aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam mir in den Sinn:

»Die große und kleine Waag ist auf dem Ringe,
Bey welcher der, der was zu wägen, sich findt ein.
Die ein hochedler Rat sich bestellt zur Waage
Sind mühsam, dieser steht und wiegt, was man gebracht,
Und jener merket auf, wieviel die Last betrage,
Ein anderer sieht, daß er die Zettel fertig macht.
Wenn man den Schafen hat ihr weiches Kleid genommen,
So findt der Adel sich mit Haufen in der Stadt.
Man sieht das Schäfervolk von allen Seiten kommen,
Daß lange Wolle Säck auf großen Wagen hatt.
Kann man die Wolle nicht alsbald zur Waage tragen,
So kürzt man sich die Zeit mit Bier und Branntewein. (..)«

Oder-Allegorie am Neptunbrunnen
am Alexanderplatz
Bei dem durch und durch schlichten Gedanken »hier sitzt ja ein Stück Breslau, ein Stück Schlesien mitten in Berlin!« wurde mir überraschend heimatlich zumute. Ich fing an zu suchen, meinend, dass das alles längst beschrieben wäre und nur ich nichts davon wüsste. Es gab und gibt ja alles über Berlin, Berlin zu allen Zeiten, das jüdische, hugenottische, russische, sogar das niederländische Berlin, Berlin bei Tag und bei Nacht, von oben und von unten, von hinten und von vorne. Bloß das schlesische Berlin war nicht dabei. Und so ging ich erst richtig auf die Suche.

Fortsetzung am kommenden Donnerstag.

Donnerstag, 11. November 2010

Selbstauskunft

Warum geht jemand, der am Rande des Ruhrgebiets geboren und aufgewachsen ist, der nicht von westfälischen, sondern von schlesischen Eltern abstammt, mit neunzehn Jahren nach Berlin? Und nicht in das Berlin von heute, sondern in das marode, geteilte Westberlin der beginnenden achtziger Jahre? Was konnte daran anziehend sein? Es waren wohl die zerschossenen Häuser und Kriegsruinen, die noch sichtbar waren, die Ruine des Anhalter Bahnhofs mit dem riesigen überwucherten Gleisareal, die Namen schlesischer Orte auf angerosteten Straßenschildern, das schlesische Tor, die ganze mangelnde Geschichtsvergessenheit, die einen starken Zauber ausübten, viel stärker als die Jetztzeit der Kreuzberger Nächte um 1980 es je vermocht hätte. In beiden Teilen der Stadt, in Westberlin und Ostberlin, war die unfreiwillige Konservierung der jüngeren katastrophischen Geschichte allgegenwärtig. Die Stadt war wohltuend unbequem, sperrig, anachronistisch, kein Vergleich zu den glatten Fassaden hysterischer Geschichtsauslöschung so mancher westdeutschen Stadt. In Berlin schien etwas zu warten, etwas Unerledigtes, die Geschichte zum Greifen nah, der abgetrennte Osten wenigstens noch schemenhaft präsent.

So kam es, dass die Stadt mich wie ein Magnetberg anzog, mich fesselte, ohne dass ich genau hätte sagen können warum, mich in ihren Bann zog. Ich tat merkwürdige Dinge zu Beginn der achtziger Jahre. In der frühen Dämmerung eines Winternachmittags begab ich mich zur Ruine des Anhalter Bahnhofs, umkreiste sie und tauchte dann in das dahinterliegende Gleisareal ein, das verödet und überwuchert da lag. Unter der winterlich abgestorbenen Vegetation fand ich alte verrostete Gleise, Schienenstränge mit Holzschwellen. Ich wusste nichts. Ich wusste nur, dass mein Vater während des Zweiten Weltkriegs hier mehrfach angekommen und abgefahren sein musste. Vielleicht von und nach Schlesien? Nichts wusste ich. Aber es reichte aus, um in der Dunkelheit eine geschichtliche Aura über die Brache zu wölben. Ich bückte mich und brach ein Stückchen morschen Schwellenholzes ab. In Erwartung verschwörerischen Einverständnisses überreichte ich es meinem Vater zu Weihnachten. Er aber schaute mich verständnislos an und ließ es liegen.

Das ist lange her. Die Stadt hat sich gewandelt. Das mit jüngerer Geschichte gesättigte Vakuum ist nach der Wende belüftet worden. Die Stadt ist damit beschäftigt, ihre Ecken und Kanten abzuschmirgeln, die historischen Verwerfungen zu zähmen, zur Beruhigung allerorten harmlose Bären und lustige Schilder aufzustellen, auf denen im Triumph der Paradoxie steht, wie man zu sein hat, um Berlin zu sein, Wandel und man selber, anders und sexy, arm oder exzentrisch oder so wie alle. Jeder kann sich, je nach Neigung, neue Schilder ausdenken, womöglich »Sei Schloss. Sei Brache. Sei Berlin«. Kaum aber vorstellbar wäre folgender Slogan: »Sei Schlesien. Sei Pommern. Sei Berlin.«

Fortsetzung am kommenden Montag.

Montag, 25. Oktober 2010

Vexierbilder

Beispiel sieben: Ein Lehrer, Ende der fünfziger Jahre im Ruhrgebiet geboren, beide Eltern aus Schlesien stammend, lebt heute in Hessen. Sein Interesse an Schlesien und den östlichen Regionen war bislang gering. Auf die Frage nach Heimat antwortet er, dass es auf keinen Fall Hessen und natürlich auch auf keinen Fall Schlesien, wo er noch nie war, sei. Am ehesten noch das Ruhrgebiet seiner frühen Kindheit, obwohl er auch da immer das Gefühl gehabt habe, nicht hundertprozentig dazuzugehören. Dennoch sei das die Gegend, die ihn, wenn überhaupt, am heimatlichsten berühren würde, da er dort das Gefühl hätte, sich auszukennen und "am leichtesten durchzukommen".

Beispiel acht: Ein Übersetzer und Lyriker, Anfang der fünfziger Jahre in Westfalen geboren, ein Elternteil aus Ostpreußen stammend, hat wenig Bezug zu seinem westfälischen Geburtsort. Eher noch bezeichnet er das ostpreußische Dorf seiner Mutter als seine Heimat. Er lebt in Berlin und begründet die Wahl seines Wohnorts damit, dass Berlin die östlichste Stadt in Deutschland ist und er daher dort der Heimat seiner Mutter am Nächsten sei. Er spricht über die "Ungewissheit einer Heimat" und gibt sein Heimatgefühl als ein gebrochenes an. Nach langem Nachdenken kommt er zum Schluss, dass er sich auf keinen Fall als Westfale, sondern als Ostpreuße fühle, ja, dass er Ostpreuße sei.

Vexieren heißt quälen. Was geschieht Kindern, die derartig, also weit über das normale Maß hinaus, mit Projektionen, Sehnsüchten, Übertragungen, Verlusterfahrungen, Träumen und Schmerzen ihrer Eltern beladen werden? Bei einer gewisen Sensibilität erachten sie ihre eigene Kindheit für viel weniger bedeutend als all die Geschichten, die sie immer wieder mythengleich hören, die schwerer wiegen, die gewichtiger sind. Das ist keine absichtliche Quälerei, keine Boshaftigkeit. Im Gegenteil. Die Eltern wollen ihren Kindern etwas von sich, von ihrem verlustreichen, verlustgeprägten Leben mitgeben, sie wollen, dass das Verlorene weiterlebt. Die beiden Extreme, die sich daraus entwickeln können, lauten: entweder wollen die erwachsenen Kinder gar nichts mehr davon wissen, oder sie wollen nur noch davon wissen, eins so schwierig, so quälend, wie das andere.


Seit den neunziger Jahren erstreckt sich die Traumaforschung in der Psychologie zunehmend auch auf die Erlebnisse und Erfahrungen der Vertriebenen und ihrer Kinder. Psychische Störungen (das sogenannte posttraumatische Belastungssyndrom), Krankheiten, Depressionen und allgemeine Lebensprobleme werden mit diesen Erfahrungen in Verbindung gebracht. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die Publikationen von Helga Hirsch, "Schweres Gepäck" (2004), oder von Astrid von Friesen, "Der lange Abschied. Psychische Spätfolgen für die zweite Generation deutscher Vertriebener" (2000). Diese Ansätze sind gerechtfertigt und sinnvoll. Und doch sollte hier an dieser Stelle keine Syptomerforschung im Vordergrund stehen, sondern eher einfach danach gefragt werden, wie es Vertriebenen und ihren Nachfahren gelingt, den Heimatverlust auszuhalten, wie sie darauf reagieren, welche manchmal sehr verschlungenen Wege sie gehen, den Verlust zu überwinden oder zumindest zu lindern. Und, wenn sie sich selbst für heimatlos halten, wie sie diese schonungslose Diagnose aushalten können, ja, ob sie es vielleicht sogar schaffen, sie produktiv umzumünzen.

Fortsetzung am kommenden Donnerstag.