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Montag, 17. Januar 2011

Ingenieurskunst

Den Abschluss der Straße Unter den Linden bildet, sozusagen als fernes Gegenüber des Brandenburger Tors, der Berliner Dom, erbaut vom schlesischen Baumeister Julius Raschdorff, über den wir im Buch Näheres erfahren werden. In den Jahren 1897/98 erhielt ein Bauingenieur den Auftrag zu dem gewaltigen Unterfangen, den Berliner Dom von seinem Fundament bis zur Kuppel konstruktiv und statisch zu berechnen: der Professor für Statik der Baukonstruktion und Brückenbau an der Technischen Universität Berlin, Heinrich Müller-Breslau. Unter dem Namen Heinrich Müller 1851 in Breslau geboren, nannte er sich später, zur Unterscheidung von anderen Trägern dieses Namens, Müller-Breslau, fügte also seinem Namen seinen Geburtsort zu – eine Praktik, wie wir sie später von dem aus Neiße stammenden Schriftsteller Max Hermann kennen, der in Berlin seinen Nachnamen um den seiner Geburtsstadt erweiterte.

Foto: © www.berlins-gruene-seiten.de
Neben dem Berliner Dom noch erhaltene Bauwerke, die auf Heinrich Müller-Breslau zurückgehen, sind das Große Tropenhaus und das Mittelmeerhaus, auch Subtropenhaus genannt, im Botanischen Garten Berlin. Letzteres klingt mit seinem geschwungenen Giebel und den flankierenden Türmchen bewusst an die Fassade einer gotischen Kathedrale an. Auch der leider im Krieg zerstörte Kaisersteg über die Spree bei Oberschöneweide geht auf Heinrich Müller-Breslau zurück. Es handelte sich um eine äußerst schwungvolle Brückenkonstruktion, deren Portale mit gotisierenden Formen aus Eisen verziert waren. Müller-Breslau, der auch zeitweilig Rektor der Technischen Universität in Berlin-Charlottenburg war, wurde 1901 als Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen, eine außergewöhnliche Auszeichnung, da die Akademie sonst keine Techniker in ihren Reihen zählte. Heinrich Müller-Breslau war auch Berater von Graf von Zeppelin, den er bei der Gestaltung des Tragwerks für dessen Luftschiffe unterstützte. Die Müller-Breslau-Straße in Charlottenburg geht auf diesen wichtigen Ingenieur zurück.


Grabstein Arnold Zweigs
auf dem Dorotheenstädtischen
Friedhof
Foto: © Roswitha Schieb
Hundert Jahre zuvor war der Baumeister Carl Gotthard Langhans auch als Konstrukteur und Ingenieur tätig. Er ersann in langen statischen Experimenten die Haltbarkeit von Bohlendachkonstruktionen, die zu größeren Kuppelbauten führten. Auch der Turmhelm auf der Marienkirche auf dem Alexanderplatz wurde von Langhans geschaffen. Es ist das erste neugotische Bauwerk in Berlin. Die spitzen Metallbögen, die sich überschneiden, wiederholen sich bei der Turmgestaltung in verschiedensten Variationen, in Gittern und Geländern. Auch Müller-Breslau arbeitete gerne bei seinen Konstruktionen, wie wir sahen, mit neugotischen Elementen - allerdings hundert Jahre nach Langhans. Interessant ist, dass auf den älteren Friedhöfen der Stadt Berlin die verschränkten, sich überschneidenden Langhans-Gitter vom Turmhelm der Marienkirche in vielen Grabeinfassungsgittern wiederkehren, auf dem Alten Garnisonsfriedhof ebenso wie vielfach auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, so um das Grab von Arnold Zweig herum, aus Schlesien stammend auch er.

Fortsetzung am kommenden Donnerstag.

Montag, 3. Januar 2011

Riesengebirge in Berlin

Carl Gotthard Langhans war nicht nur ein bedeutender Baumeister, er tat sich in Berlin auch als – schneisenschlagender – Städteplaner hervor. Viele Architekten und Städtebauer des 19. und 20. Jahrhunderts gaben Berlin sein immer wieder wechselndes Gesicht. Einer der wichtigsten war der heute fast gänzlich in Vergessenheit geratene Hermann Mächtig. 1837 in Breslau geboren, erhielt er dort und in der Königlichen Gärtnerlehranstalt in Potsdam-Wildpark seine Ausbildung zum Gärtner. Zunächst arbeitete er in den Potsdamer Gärten unter Peter Joseph Lenné und Gustav Meyer, wurde 1870 dortiger Hofgärtner, bis er ab 1878 bis zu seinem Tod 1909 das Amt des Stadtgartendirektors in Berlin bekleidete. Wichtiges Anliegen war ihm, »Volksgärten« im landschaftsgärtnerischen Stil anzulegen, denn Gärten und Parks sollten nach Mächtigs Auffassung »Stätten der Bewegung, der Erholung, Orte geselliger Unterhaltung, auch des Naturgenusses, der Bildung und der Veredelung der Sitten« sein. Eine Vielzahl heute noch existierender Plätze und Parks in Berlin geht auf Mächtigs Planung, Verschönerung und Umgestaltung zurück, so der Treptower Park, der Pariser Platz, der Zentralfriedhof Friedrichsfelde, auf dem sich auch Mächtigs denkmalgeschütztes Grab befindet, der Leopoldplatz, der Senefelderplatz, der Wilhelmplatz, die Umgestaltung der Schloßstraße in Charlottenburg, der Kollwitzplatz, der Gendarmenmarkt, der seit 1848 bestehende Friedhof der Märzgefallenen, der 1900 von Mächtig wiederhergestellt und verschönert wurde, der Lützowplatz, der Arnswalder Platz, der Arnimplatz und der Brunnenplatz. Eine Straße in Potsdam wurde nach Hermann Mächtig benannt.

Im Zeitalter der Industrialisierung bemühte sich Mächtig darum, kleinere und größere urbane Zentren in Berlin gärtnerisch zu gestalten, um der dichtgedrängten Bevölkerung Plätze zum Atmen zu verschaffen. Ein auch heute noch besonders augenfälliges Beispiel dafür ist der Viktoriapark auf dem Kreuzberg. Bereits 1821 errichtete Schinkel auf der Kuppe des Kreuzbergs das Nationaldenkmal zur Erinnerung an die Befreiungskriege 1813. Aber erst über sechzig Jahre später wurde Hermann Mächtig mit der Gestaltung des gesamten Hügelterrains beauftragt. Zwischen 1888 und 1894 legte er den Landschaftsgarten mit geschlängelten Wegen an. Zur Betonung des Nationaldenkmals ersann er in der Hauptblickrichtung von der Großbeerenstraße her die Anlage eines Wasserfalls, der zweierlei Implikationen vereinigte: einmal sollte der Wasserfall an sich erhabene Gefühle auslösen und damit zu Emphase des Nationalen beitragen. Zum anderen ist er eine Miniaturnachbildung eines existierenden Wasserfalles. Seinem Entwurf ist, so Mächtig, »ein den angeführten Bedingungen entsprechender Wasserfall im Riesengebirge zu Grunde gelegt«. Belegt ist auch eine Dienstreise Mächtigs während er Planungszeit nach Hirschberg. Umstritten ist heute bloß, ob es sich beim Viktoriapark um eine Nachbildung des Zackelfalls, des Heynfalls oder eines anderen Wasserfalls in der Umgebung von Hirschberg handelt. Auch Reisen ins Riesengebirge waren im 19. Jahrhundert übrigens von nationaler Bedeutung, hatten seit Friedrich Wilhelm III. doch die preußischen Könige mit ihren Schlössern und Gärten das Hirschberger Tal in ein preußisches Elysium verwandelt. Im ausgehenden 19. Jahrhundert waren es auch immer mehr wohlhabende Berliner, die zur Erholung ins Riesengebirge reisten. Für all diejenigen aber, die sich solch Fahrten nicht leisten konnten, unter anderem auch die Arbeitsmigranten aus Schlesien, die sich im schlesischen Viertel in Kreuzberg drängten, baute Hermann Mächtig ein Riesengebirge en miniature mit einem Wasserfall, klein genug, die Ausmaße eines städtischen Parks nicht zu sprengen, und groß genug, Erhabenheits-, Sehnsuchts- und Nationalgefühle auszulösen.

Fortsetzung am kommenden Donnerstag.

Donnerstag, 30. Dezember 2010

Brandenburger Tor

Das Brandenburger Tor ist ein Gradmesser, ein Seismograph für deutsche Befindlichkeiten. Die dortige Silvesterfeier 1989/1990 erging sich in Euphorie, die Silvesterfeier im Jahr darauf in Depression, bis sich die Stimmung langsam in einer Mittellage einpendelte. Ohne das Brandenburger Tor wäre Berlin kaum vorstellbar. Es ist beinahe gar kein Gebäude mehr, sondern eine Stadtikone, die in unausdenkbar vielen Variationen durch die Stadt geistert. Das Bauwerk ist ein Logo geworden. Es bedeckt in Kleinformat die Fenster der Berliner U-Bahnen, ziert rot auf gelbem Grund sehr stilisiert die Schnauze der Berliner Busse, es findet sich verformt mit bunten, herausgelösten, flott hingetuschten Säulen über die ganze Stadt verteilt, sogar gusseisern auf Gullideckeln. Junge Akrobaten studieren im Schul-Zirkus die Nummer Brandenburger Tor ein - die Pfeiler aus aufrechtstehenden, die Attika aus darübergelegten Körpern. Die größten Triumphe der Nachbildung feiert es allerdings in den Touristenläden Unter den Linden. In Regalen, die selbst auch das Brandenburger Tor nachbilden, finden sich Teller, Trinkgefäße aller Art, von Zinnhumpen, über Keramikbecher bis hin zu geschliffenen Gläsern, vergoldete Schmuckanhänger, Aschenbecher, Porzellanglocken, Pergamentrollennachbildungen aus einem undefinierbaren Material, Pillendöschen und Fingerhüte, Porzellansenftöpfchen, Briefbeschwerer und Schneekugeln, batterieweise in allen Größen, die das Brandenburger Tor ab- und nachbilden. Es schneit wunderschön in diesen Kugeln, weiß und grünglitzernd.
Vor den Geschäften steht ein Prägeautomat und verwandelt das Eichenblatt des 2-Cent- oder 5-Cent-Stücks in ein Brandenburger Tor, damit die Kupfermünzen den 10-, 20- und 50-Centmünzen ähnlicher werden. Vor dem Brandenburger Tor selbst, dessen reale, physische Existenz man nach den vielen Devotionalien kaum noch glauben kann, ballen sich dann karnevaleske Geschichtskürzel: ein Vopo posiert neben einem amerikanischen GI, ein Berliner Bär neben einem Indianer, ein NVA-Mann neben einem futuristischen Ritter-Monster, während Bürgerrechtsgruppen aus aller Welt oder Tierschützer auf ihre Belange hinweisen.

Das Brandenburger Tor kennt jeder. Seinen Erbauer aber kennen nur wenige. Der Architekt Carl Gotthard Langhans, der beileibe nicht nur dieses Wahrzeichen erbaut hat, hat es in Berlin nicht einmal zur Benennung einer Straße gebracht. Anders als die Langhansstraße in Potsdam geht die Langhansstraße in Pankow-Weißensee nämlich nicht auf ihn zurück. Keine Gedenktafel, keine Schulbenennung weist auf ihn hin. Beerdigt wurde er in Breslau-Grüneiche, geboren im schlesischen Landeshut. Viele Bauwerke schuf er in Schlesien, viele in Berlin und Umgebung. Aber schon im 19. Jahrhundert wurde sein Name von Schinkels Namen verdunkelt. Das ist schade. Denn Langhans' Werk markiert die Schnittstelle zwischen Barock und Klassizismus. Es ist so mannigfaltig, dass es wieder entdeckt werden sollte. Das Buch macht sich auf diese Reise.

Fortsetzung am kommenden Montag.