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Donnerstag, 13. Januar 2011

Oper, Film und Komik

Berlin war für Schlesier ein großer Magnet, ja vielleicht der Anziehungspunkt schlechthin. Wer etwas werden wollte in der Welt, der blieb nicht in der schlesischen Provinz, nicht einmal in der schlesischen Hauptstadt Breslau, sondern er musste nach Berlin kommen. Das galt auch für die 1850 in Breslau geborene Opernsängerin Selma Nicklaß-Kempner, die mit zwanzig Jahren an der Berliner Krolloper debütierte. Von dort führte sie ihr Weg durch Europa, aber auch wieder nach Berlin zurück, wo sie am Stern'schen Konservatorium engagiert wurde und auch als Gesangspädagogin wirkte. Die lange Liste ihrer später teilweise prominenten Schülerinnen verrät, wie bekannt und begabt sie auch als Lehrerin gewesen sein muss.

Der Sogwirkung Berlins konnte sich auch der Sänger und Schauspieler Egon Brosig, Sohn eines Brauereibesitzers aus Ohlau, 1889 geboren, nicht entziehen. Nachdem dieser seine Karriere in der schlesischen Provinz, in Salzbrunn und Kattowitz, begonnen hatte, zog es ihn 1915 nach Berlin, wo er sich zu einem beliebten Opernbuffo und Charakterkomiker entwickelte. Zeitweilig galt er sogar als renommiertester Buffo, auf jeden Fall aber als bedeutendster Tanzbuffo. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat er an der Komischen Oper auf, nach 1953 dann in Westberliner Theatern.

Seine Erfahrungen als Filmschauspieler sammelte er in der Stummfilmära. Bis zu seinem Lebensende 1961 spielte er in unübersehbar vielen Filmen mit, oft in Nebenrollen. Interessant ist seine Mitwirkung im NS-Propagandafilm »Der alte und der junge König« (1935), ein Fridericus-Rex-Historienfilm, in dem es um die Verherrlichung des Gehorsamsprinzips geht. Dass Egon Brosig in diesem Film keinen ›edlen Preußen‹ spielt, sondern die Rolle eines – jüdischen – Wucherers, zeigt die Weite und durchaus auch Gebrochenheit seines schauspielerischen Selbstverständnisses.

Eine weitere zwiespältige Rolle in diesem Film war von einem Schlesier besetzt: der mehrfach begabte Friedrich Kayßler spielte Kattes Vater. 1874 im schlesischen Neurode geboren, lernte Kayßler am Breslauer Maria-Magdalenen-Gymnasium Christian Morgenstern kennen, dessen Gedichte Kayßler später vertonte. In Berlin war er am Deutschen Theater unter Max Reinhardt Bühnenschauspieler, zwischen 1918 bis 1923 Direktor der Freien Volksbühne. In dieser Zeit spielte Kayßler im Friedrich-Stummfilm »Fridericus Rex« (1922) mit, in dem er den preußischen Staatsminister Graf Finckenstein, einen der wenigen Vertrauten Friedrichs II., gab. Als Schriftsteller hinterließ er vor allem impressionistische Märchendramen und Lustspiele. Der Witz Kayßlers zeigt sich bereits in seinen Vertonungen berühmter Morgenstern-Gedichte, so u. a. von »Nasobem«, »Klabautermann«, »Der Schaukelstuhl auf verlassener Terrasse«: kongenial zu den Gedichten versah Kayßler die Partituren mit höchst originellen, fast schlesisch-barock überbordenden Spielanweisungen. Aus dem üblichen »Adagio«, »Andante«, »Largo« wird hier »Beängstigend zuschnürend«, »Gelangweilt«, »Schwebend, schwingend«, »Unbeirrbar«, »Rustikal hinschmelzend«, »Treu wandelnd«, »Jäh verstört«, »Gläsern gespenstisch«, »Innig pneumatisch emporquellend«, »Überdonnernd«.

Fortsetzung am kommenden Montag.