Posts mit dem Label Gleiwitz werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Gleiwitz werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 28. Februar 2011

Schlesische Spuren

Das Wappen von Gleiwitz  
Foto: © Barbara Gafert

Im Innenhof des Rathauses Wilmersdorf am Fehrbelliner Platz befinden sich 27 Mosaik-Wappen »ehemals ostdeutscher Länder und Städte«, die der bereits erwähnte schlesische Künstler Peter Ludwig Kowalski für die alte Hohenzollernbrücke anfertigte. Als die Brücke der Stadtautobahn weichen musste, wurden die Wappen 1957 im Innenhof des Rathauses Wilmersdorf angebracht. Sieben Wappen von schlesischen Provinzen befinden sich darunter: Niederschlesien, Breslau, Liegnitz, Neiße, Oberschlesien, Gleiwitz, Oppeln. Eine Tafel von 1992 erläutert unaufgeregt den Umgang mit den historischen Bezügen:

Donnerstag, 3. Februar 2011

Schlesische Aufständische

Dass aus Schlesien stammende Großindustrielle wie Borsig oder oberschlesische Steinkohlenmagnaten wie Henckel von Donnersmarck Berlin im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wirtschaftlich entscheidend prägten, ist hinlänglich bekannt. Weniger bekannt ist vielleicht, dass soziale, gar sozialrevolutionäre Gedanken und Strömungen ebenfalls stark mit Schlesien verknüpft sind. Es ist festzuhalten, dass soziale Unruhen und neues soziales Gedankengut nicht etwa durch das beginnende Proletarierelend in Berlin ausgelöst wurden, sondern durch die schlesischen Weberaufstände.

An dieser Stelle soll eine einstmals äußerst populäre, heute vergessene Sozialrevolutionärin und Frauenrechtlerin aus Schlesien vorgestellt werden, Agnes Wabnitz, der zu Ehren aber immerhin im Jahre 2002 im Entwicklungsgebiet Alter Schlachthof am Prenzlauer Berg eine neu angelegte Straße benannt wurde. Sie wurde 1841 im oberschlesischen Gleiwitz geboren und besuchte die dortige Bürgerschule. Nachdem die Familie verarmt war, musste Agnes Wabnitz sich ihren Lebensunterhalt als Gouvernante auf polnischen Adelsgütern verdienen. Anfang der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts zog sie – wie so viele in dieser Zeit – nach Berlin, wo sie als Schneiderin und Näherin, vor allem als Mantelnäherin arbeitete. In der Partei- und Gewerkschaftsarbeit begann sie sich zu engagieren, nachdem ihr Bruder unter dem Sozialistengesetz 1879 verhaftet und ausgewiesen worden war. Durch ihr rednerisches Temperament, das sie zu einer wandernden Agitatorin machte, stieß sie immer häufiger mit der Polizei und anderen staatlichen Autoritäten zusammen. Unermüdlich setzte sie sich für die Stärkung der Frauenrechte ein. Sie agitierte auch gegen die Doppelmoral der Kirche und gegen die Anmaßung des Kaisers. 1892 wurde sie wegen Majestätsbeleidigung und Gotteslästerung verurteilt und inhaftiert. Im Gefängnis begann sie einen Hungerstreik, woraufhin sie in der Charité zwangsernährt und später in die Berliner Irrenanstalt Dalldorf (Wittenau) eingeliefert wurde. Nach ihrer Entlassung begann Agnes Wabnitz wieder, Reden und Vorträge zu halten, bis sie erneut verurteilt werden sollte. Bevor sie jedoch ihre Strafe antrat, nahm sie sich – symbolträchtig – auf dem Friedhof der Märzgefallenen in Berlin-Friedrichshain am 28. 8. 1894 das Leben.
Grabstein von Agnes Wabnitz
Friedhof der Freireligiösen Gemeinde
in der Pappelallee in Berlin
Prenzlauer Berg
Foto: © www.wikipedia.de
Agnes Wabnitz war damals derart populär, »vielleicht die bekannteste Frau ihrer Zeit«, wie ihr Biograph Klaus Kühnel schreibt, dass ihr Begräbnis nicht öffentlich stattfinden sollte, um eine politische Demonstration zu verhindern. Aber die Geheimhaltung gelang nicht. Am 2. September 1894 gaben ihr wohl über 40.000 Menschen das letzte Geleit zum Friedhof der Freireligiösen Gemeinde an der Pappelallee, mehr Personen als beim Begräbnis Kaiser Wilhelms I. zugegen waren. 630 Kränze wurden ihr zugedacht, achtzig mehr als dem Kaiser. Durch ihren Suizid wurde Agnes Wabnitz zur Märtyrerin der sozialdemokratischen Bewegung. Dass sie heute so gut wie vergessen ist, mag daran liegen, dass sie als Agitatorin durch und durch in ihrer Gegenwart lebte, und anders als Rosa Luxemburg oder Clara Zetkin kein theoretisches Werk hinterließ. Ihr Grabstein auf dem Friedhof an der Pappelallee ist erhalten. Dort erinnert folgender Vers an die »unvergessliche Genossin«:
Edelsinn, Biederkeit war deine Zier
Wahrheit, Gerechtigkeit hieß dein Panier
Ob du im Grab auch liegst
Es klinget fort und fort
Wacker dein Losungswort:
Freiheit du siegst.

Fortsetzung am kommenden Montag.