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Donnerstag, 27. Januar 2011

Das märkische Kreisau

Das Landgut Borsig im havelländischen Groß Behnitz, fünfzig Autominuten vom Brandenburger Tor entfernt, überrascht den Besucher gleich mehrfach: es ist schön am Groß Behnitzer See gelegen, mit Terrassenlokal und einem gepflegten Park. Im Park am Ufer des Sees steht eine asiatische Platane, die Alexander von Humboldt dem Eisenbahnpionier August von Borsig von einer Forschungsreise als Dank mitgebracht hatte, Keimzelle der dendrologischen Liebhaberei der Familie Borsig über mehrere Generationen hinweg. Dann hat das Landgut enorme architektonische Ausmaße, die auf den Großindustriellen Albert Borsig zurückgehen, der das Gut 1866 erwarb und das Terrain mit einem architektonischen Ensemble in Backsteinbauweise ausbauen ließ. Diese sollte an die Berliner Borsig-Fabrik erinnern. Das Gut wurde als Teil der »A. Borsig Maschinenbauanstalt« nach modernsten landwirtschaftlichen Methoden bewirtschaftet, so mit Maschinen aus den Berliner Werken und Technologien, die bereits sehr früh nach ökologischen Prinzipien funktionierten: der Kuhstall wurde mit Biomasse erwärmt, Wasser wiederaufbereitet. Trotz aller Innovationsbestrebungen wurde jedoch auch der Geschichte und der Tradition Berlins Wertschätzung gezollt: Albert Borsig rettete beim Abriss des Oranienburger Tors in Berlin die Gontard-Skulpturen, indem er die Pfeiler seines Gutsportals mit ihnen bekrönte.
An einem der Pfeiler ist eine Gedenktafel angebracht mit folgender Aufschrift: »Hier trafen sich im ehemaligen Schloss in den Jahren 1941–1943 auf Einladung des Dr. Ernst Borsig mehrmals die Grafen Moltke und York von Wartenburg mit führenden Mitgliedern des Kreisauer Kreises.«

Während dieser konspirativen Treffen wurde u. a. das Sieben-Punkte-Programm des Kreisauer Kreises verfasst, in dem es um die Reagrarisierung Deutschlands nach der Beseitigung Hitlers ging. Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg stammten beide aus Schlesien, Ernst Borsig, der Gutsbesitzer, hatte schlesische Wurzeln. Sein berühmter, Berlin ungemein prägender Urgroßvater August Borsig war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Breslau nach Berlin gekommen, wo es ihm, dem Sohn eines schlesischen Zimmermannpoliers, gelungen war, zu einem Großindustriellen, zu einem Eisenbahnpionier, sogar Eisenbahnkönig aufzusteigen. Im Buch werden wir Näheres darüber erfahren. Sein Sohn Albert Borsig baute das Unternehmen weiter aus und übernahm auch das Gut Groß Behnitz. Von seinem Innovationsgeist profitierte das ganze Dorf: bereits 1869 wurde ein Bahnhof gebaut, an dem Züge von und nach Berlin hielten, um frische Landprodukte in die firmeneigenen Kantinen der Borsigwerke zu transportieren, eine Schule und ein Kindergarten wurden errichtet, die Wälder aufgeforstet, ein Erbbegräbnis der Familie Borsig an der Dorfkirche angelegt, vom gleichen Architekten übrigens, der auch den Borsigturm in Tegel baute. Hier in Groß Behnitz sind die meisten Mitglieder der Familie Borsig bestattet. Nur August Borsig, der Urgroßvater des Hitlergegners Ernst Borsig, liegt in Berlin auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in einem Ehrengrab begraben, ganz in der Nähe eines besonders prachtvollen Grabmals, das mit buntglasierten Kacheln verziert ist: das Grabmal des Erfinders der Ringöfen, Friedrich Eduard Hoffmann.
Dieser war zwar kein Schlesier, betrieb aber neben anderen Werken ein bedeutendes Werk in Schlesien, in Siegersdorf (Zebrzydowa) am Queis bei Naumburg (Nowogrodziec) gelegen, das eine noch berühmtere schlesische Töpferstadt war als Bunzlau. Auf dem Grabmal ist der anrührende Hinweis zu lesen, dass »vier liebe Kinder des Koenigl. Bauraths Friedrich Hoffmann« als »Opfer des Scharlachs« hier beerdigt liegen. Die leuchtend bunten Keramikkacheln wurden, wie ein kleiner, unscheinbarer Stempel an der Seite verrät, in Siegersdorf, in Schlesien hergestellt.

Fortsetzung am kommenden Montag.