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Montag, 15. November 2010

Breslauer Wollmarkt auf dem Alexanderplatz

Es war ein Schlüsselerlebnis, das mich zu dem Buch »Jeder zweite Berliner. Schlesische Spuren in Berlin« führte. Es begann mit einem harmlosen Touristenprogramm für Gäste aus Südwestdeutschland, die noch nie in Berlin gewesen waren. Reichstagskuppel, Brandenburger Tor, Museumsinsel, Fernsehturm, Alexanderplatz. Dort sprudelte der Neptunsbrunnen und die Kinder erfreuten sich am Meeresgetier, das den Netzen entwischt war. Vier Flussgöttinnen sorgten dafür, dass der Brunnen nicht versiegte. Ich hatte sie mir noch nie so ausführlich angeschaut und wusste sie nicht zu benennen. Der Reclamführer aus den siebziger Jahren gab Auskunft über die Ströme Preußens Ende des 19. Jahrhunderts: die Figur mit den Trauben solle den Rhein, die Figur mit den Ähren die Elbe, die Figur mit dem Holz (Flößer!) die Weichsel (!) und die Figur mit dem Ziegenfell die Oder darstellen, denn das Fell verweise auf den Breslauer Wollmarkt.

Da durchfuhr es mich. Eine Allegorie des Breslauer Wollmarkts sitzt mitten auf dem Alexanderplatz! Da schreibe ich Bücher über Breslau und zitiere darin Gedichte aus dem 16., 17., 18. Jahrhundert über den Breslauer Wollmarkt und weiß nicht, das seine Verkörperung Wasser in den Berliner Neptunsbrunnen gießt!

Das Gedicht über den Breslauer Wollmarkt von Johann Andreas Mauersperger aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam mir in den Sinn:

»Die große und kleine Waag ist auf dem Ringe,
Bey welcher der, der was zu wägen, sich findt ein.
Die ein hochedler Rat sich bestellt zur Waage
Sind mühsam, dieser steht und wiegt, was man gebracht,
Und jener merket auf, wieviel die Last betrage,
Ein anderer sieht, daß er die Zettel fertig macht.
Wenn man den Schafen hat ihr weiches Kleid genommen,
So findt der Adel sich mit Haufen in der Stadt.
Man sieht das Schäfervolk von allen Seiten kommen,
Daß lange Wolle Säck auf großen Wagen hatt.
Kann man die Wolle nicht alsbald zur Waage tragen,
So kürzt man sich die Zeit mit Bier und Branntewein. (..)«

Oder-Allegorie am Neptunbrunnen
am Alexanderplatz
Bei dem durch und durch schlichten Gedanken »hier sitzt ja ein Stück Breslau, ein Stück Schlesien mitten in Berlin!« wurde mir überraschend heimatlich zumute. Ich fing an zu suchen, meinend, dass das alles längst beschrieben wäre und nur ich nichts davon wüsste. Es gab und gibt ja alles über Berlin, Berlin zu allen Zeiten, das jüdische, hugenottische, russische, sogar das niederländische Berlin, Berlin bei Tag und bei Nacht, von oben und von unten, von hinten und von vorne. Bloß das schlesische Berlin war nicht dabei. Und so ging ich erst richtig auf die Suche.

Fortsetzung am kommenden Donnerstag.